Wolltest du in diesem Jahr endlich mit einer regelmäßigen Yogapraxis zu Hause beginnen? Oder hattest dir dafür bereits einen festen Zeitraum etabliert – mitten im Familienalltag?
Und jetzt, mit neuem Lockdown, Kitaschließung und Homeschoolingbetreuung der größeren Kinder ist alles weg! Keine Sonnengrüße mehr, nachdem morgens alle anderen aus dem Haus sind. Kein ruhiger Morgenkaffee oder -tee in aller Ruhe und danach noch 20 Minuten meditieren, bevor es selbst zur Arbeit geht…
Keine Zeit mehr für deine Lieblingsübungen. Und auf der Yogamatte, in deiner schönen kleinen Yogaecke, steht jetzt der Wäscheständer, weil im Flur, wo er sonst stand, jetzt das Trampolin für die Kinder steht – damit sie sich zwischen Homeschooling vorm Computer und Gitarrenunterricht vorm Computer etwas abreagieren können…
Vorher dachtest du immer: eine eigene Yogapraxis zu Hause, Zeit ganz für dich alleine, das ist nicht vereinbar mit Familienleben und kleinen Kindern. Aber irgendwie hast du es dir möglich gemacht. Bist vielleicht etwas früher aufgestanden als alle anderen zu Hause. Oder hast Abends auf den Sofa-Abhäng-Modus verzichtet und dich stattdessen zu einigen Yinyoga Positionen auf die Matte zurückgezogen. Du warst glücklich mit dieser kleinen Routine, hast vielleicht die positiven Veränderungen in deinem Alltag bemerkt und warst einfach froh, im turbulenten Familienleben kleine Inseln der Ruhe geschaffen zu haben, in denen es nur um dich geht. Und du Kraft und Energie auftanken kannst.
Und dann kam Corona. Und die Lockdowns. Und die Kitaschließungen. Und das Homeschooling. Und die unzufriedenen unausgelasteten Kinder zu Hause. Und die Arbeit, die sich nebenbei im Homeoffice türmt. Und. Und. Naja. Was fällt da wohl als erstes unter die Kategorie „Unwichtiges wird gestrichen“!?
Keine Zeit mehr für deine Lieblingsübungen. Und auf der Yogamatte, in deiner schönen kleinen Yogaecke, steht jetzt der Wäscheständer
In einem Leben mit Kindern gibt es ständig kleine „Coronas“. Unvorhergesehenes, Ungeplantes, was alles andere aus der Bahn wirft. Gerade dachten wir, wir wüssten wie der Hase läuft, denken, wir hätten die Todo-Listen sämtlicher Familienmitglieder unter Kontrolle, da springt an irgendeiner Stelle ein Rädchen aus dem Getriebe und die ganze schöne glatte Planung und Routine geht den Bach runter. Kind wird krank, Arbeit staut sich bis in die Nacht auf. Trainigsplan des Sportvereins ändert sich, Fahrgemeinschaft klappt nicht mehr. Es gibt einfach tausende dieser kleinen Kettenreaktionen innerhalb eines Zusammenlebens in der Familie.
Jede dieser Spurwechsel können dich aus der Bahn werfen. Durch jede Veränderung müssen neue Routinen etabliert werden. Ich selbst habe schon unzählige Yogaroutinen für mich entwickelt, sie bei der nächsten Ausnahmesituation wieder verloren und mir mühsam wieder neue kreiert.
Was ist also zu tun, um die eigene Yogapraxis oder sonstige MeTime-Routinen auch über Ausnahmesituationen und Krisenzeiten hinwegzuretten? Denn eigentlich brauchen wir sie ja dann gerade besonders dringend.
Diese 4 Tipps können dir helfen, deine Yogapraxis auch in schweren, vollgepackten oder krisenhaften Zeiten aufrecht zu erhalten
1. Hohe Ansprüche aufgeben
Schraube deine hohen Ansprüche herunter! Das ist der erste und wichtigste Tipp. In extremen Ausnahmesituationen, wie jetzt gerade im Lockdown, wirst du es wahrscheinlich nicht schaffen, dir täglich eine längere, ungestörte Zeit in absoluter Stille alleine in deiner Yogaecke freiräumen zu können. Der Ablauf eurer Tage wird unter Umständen so extrem anders als sonst sein, dass deine perfekte Übungsroutine da einfach nicht hineinpasst. Willst du sie deshalb ganz aufgeben? Oder bist du offen dafür, sie abzuwandeln und an die Bedigungen anzupassen (s.Tipp 3)? Auch wenn sie so vielleicht nicht mehr deiner perfekten Vorstellung enspricht.
2. Kleinere Dosen
Teile dir deine Praxis in kleinere Häppchen ein. Klar, eine längere Zeit am Stück auf der Matte führt uns vielleicht tiefer in die Übungen hinein, weil wir unsere Muskeln besser aufwärmen und unserem Geist mehr Raum geben können. Aber was nicht geht, das geht eben gerade nicht. Es werden auch wieder andere Zeiten kommen.
Wenn du zwischen dem Online-Arbeits-Meeting und dem Mittagessenkochen für die Kinder Zeit für einen Sonnengruß findest, oder Abends, vor dem Ins-Bett-gehen mit einigen Vorbeugen oder ruhigen Atemübungen zur Ruhe kommst, dann ist das sinnvolle Yogapraxis, die dich unterstützt. Versuche auch diese kleinen Häppchen mit Dankbarkeit und Anerkennung für Dich selbst zu zelebrieren. Damit kommt der 3. Punkt:
3. Praxis den Umständen anpassen
Frage dich als erstes, was du gerade am dringendsten brauchst und als zweites, was gerade möglich ist.
Brauchst du eher Ruhe und Erdung, weil dir alle Anforderungen über den Kopf wachsen, wäre ein Entspannungretreat auf Bali zwar herrlich, aber gerade eben nicht machbar. Was kannst du stattdessen tun, um deinem Nervensystem in den Ruhemodus zu helfen? Schon ein simples Viparita Karani (auf dem Rücken liegend die Beine an der Wand entlang nach oben strecken) kann dich dahin unterstützen.
Bist du vom vielen Arbeiten am Computer sehr verspannt oder neigst du zu Spannungskopfschmerzen, brauchst du wahrscheinlich eher lockernde Übungen für den Schulterbereich. Die kannst du z.B. nach jeder Schreibtischeinheit für zwei Minuten üben.
Überlege dir, wie dich die Praxis in deiner momentanen Situation wirklich unterstützen kann. Ohne dass sie dich als Extraprogrammpunkt noch zusätzlich stresst. Yoga so einzusetzen wie du ihn gerade brauchst, ist viel nährender und sinnvoller, als kontinuierlich eine noch so ausgeklügelte Kreativsequenz zu üben, die dir gar nicht entspricht.
4. Alles ist Yoga – Umdeuten
Und schließlich: das ganze Leben ist Yoga. Alles was dir widerfährt, ist eine Möglichkeit zu wachsen und dir auf dem Weg deiner Entwicklung und Selbsterkenntnis zu helfen. Ja, das klingt irgendwie ziemlich abgedroschen, aber so kann man es sehen.
Beobachtest du dich innerlich beim Ausrasten, weil du die Geduld mit dieser verrückten Technik fürs 10te Online-Meeting verlierst, gibt dir das die Möglichkeit, dich beim nächsten Ausraster vielleicht mit einigen tiefen Atemzügen selbst schneller wieder runterzuholen. Pures Yoga.
Der hundertste Spaziergang mit Kind um den Block in dieser Woche kann vielleicht verändert werden, indem ihr 10 Schritte lang versucht, die Bodenstruktur unter den Füßen durch die Schuhe hindurch zu spüren oder den Wind in den Bäumen zu hören oder die Eichhörnchen zu beobachten… Yoga.
Wenn du dir bewusst machst, dass Yoga vor allem offene Achtsamkeit ist, ohne die Dinge krampfhaft verändern zu wollen, dann kann jeder Moment deines Alltags zur Yogapraxis werden. …Ach, und manchmal tut ein kleiner Ausraster auch einfach so richtig gut!